Eine Nase voll Winterfrische

von wolfgang

Nach Wochen vorwiegend daheim im Lockdown und isoliert zieht es doch irgendwann wieder raus auf die Suche nach etwas abwechslungsreicheren Tapeten am Horizont. Außerdem scheint sich das viele in geschlossenen Räumen Sein auch auf die Lungen auszuwirken, die sich endlich wieder einmal richtig ausbreiten und hoch mit Sauerstoff angereicherte Luft einströmen lassen wollen. Nicht zuletzt deswegen fiel die Wahl wieder einmal auf die Luftkurregion an der Schwarza, namentlich das Höllental. Ohnehin hatte ich mir im Sommer schon vorgenommen, in der kalten Saison einmal hierher zu kommen und die besten Plätze für den nächsten Sommer auszukundschaften.

Winterfrische unter anderen Vorzeichen

Schon am Abend vor der Abfahrt machte sich ein Gefühl breit, ja, ein regelrechter Drang, die Natur aufzusuchen. Sei es aufgrund meiner angeschlagenen Lungen oder ob der Tatsache, dass ich ansonsten Gefahr liefe, mir die Decke früher oder später auf den Kopf fallen zu lassen. Dementsprechend früh wachte ich am nächsten Morgen, an einem Freitag, auf und anstatt mich wie üblich vor den Home-Office-Bildschirm zu setzen, verschob ich das Arbeiten auf später und setzte mich gleich nach dem Frühstück in Bewegung. Ein nebliger, kalter Morgen mit Minusgraden begrüßte mich und ließ mich hoffen, die Gipfel der Rax etwas angezuckert zu sehen.

Spätestens ab Gloggnitz spürte ich, dass die Entscheidung tatsächlich die richtige war. Es fühlte sich gut an, wieder in ein anderes Umfeld einzutauchen mit den Bergen rundherum, den Häusern, die hier einfach anders aussehen und den Uhren, die hier zumindest etwas langsamer zu ticken scheinen, auch wenn das wahrscheinlich nur meiner romantischen Vorstellung vom Leben hier geschuldet ist. Die Straßen waren ruhig, aber so hatte ich es auch erwartet in Zeiten, in denen weitgehende Isolation empfohlen wird. Und so wollte ich es auch halten. Zur Meditation am Fluss braucht es schließlich vor allem eines. Den Fluss. Und in Fluss wollte ich wieder kommen. Also führte mich mein Weg direkt ins Höllental. Wie sehr ich es vermisst hatte, wurde mir erst klar, als ich wieder darin eintauchen und mich davon verschlingen lassen durfte.

Der Fluss tut gemächlich seine Arbeit

Es war die richtige Entscheidung, hierher zu kommen. Die vom Wasser durchsetze Luft, das unten im Fluss an den Felsen zerstäubt wird, tut meinen Atemwegen gut. Ich kann durchatmen, spüre die Energie. Ich nehme einen Weg zwischen Straße und Fluss und möchte ans Wasser. Ich spüre wieder die gespeicherte Kraft dieses Bergflusses und sehe zu, wie er gemächlich seine Arbeit tut, während die Bäume an den Hängen zu beiden Seiten bereits ihren Winterschlaf halten. Kein Windhauch tut sich. Zu hören ist lediglich das gleichmäßige Tosen des Wassers. Ich suche mir einen Platz auf einer kleinen Landzunge, zu drei Seiten umgeben von Wasser auf den vom Wasser rund geschliffenen Flusssteinen stehend und halte einige Momente inne. Meditation pur.

Ich folge einfach Impulsen, bin wieder ganz bei mir und Zeit hat ihre Wirkung auf mich verloren. Nun scheint es mir doch wieder, als würden die Uhren hier anders ticken. Obwohl ich erst kurz hier bin, frage ich mich, ob ich zuhause in derselben Zeit so viele Eindrücke wahrgenommen hätte und die Zeit ebenso geschätzt hätte. Jede Minute birgt das Potenzial einer Stunde in sich. Ich bewege mich flussaufwärts. Eine Biegung schöner als die andere. Die Schwarza zeigt sich in ihrer typisch grünlich-blauen Färbung und wartet nach jedem Meter mit neuen Kleinoden auf. Fische, die mit mir wohl nicht gerechnet haben, zeigen sich nahe dem Ufer. Still stehen sie im Wasser, um wenig Energie zu verbrauchen. Es ist die Zeit der Ruhe, wo auch wir runterschalten dürfen, um Energie zu speichern für den nächsten Zyklus.

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